26. Juni 2023

5 Fragen zum Thema Hitzeschutz

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Robert Minovsky, Leiter Technik
  1. Minergie verschärft den Hitzeschutz. Bleibt es somit in Minergie-Bauten trotz steigenden Temperaturen ständig angenehm kühl, ganz ohne Kühlung?
    Mit den Anforderungen werden die baulichen und technischen Voraussetzungen geschaffen, dass dem so ist. Natürlich hängt vieles von der Benützung der Häuser ab. Bei extremen Hitzewellen kann es trotzdem dazu kommen, dass die Räume etwas wärmer werden. Das lässt sich nur mit einer Kühlung vermeiden. Mit den neuen Anforderungen wird aber auch eine Kühlung effizienter, weil die Kühlleistung sehr klein ausfällt.
  2. Darf man weiterhin Minergie-Bauten ohne Geocooling, Free-Cooling und aktive Kühlung bauen?
    Ja, natürlich. Wenn es das Gebäudekonzept und der Standort zulassen, kann ein Gebäude mit einer Nachtauskühlung über die Fenster sehr gut funktionieren. Steht dieses Gebäude an einer Hitzeinsel (innerstädtisch), dann wird eine Fensterkühlung in der Nacht nicht mehr ausreichen und eine Kühlung notwendig. Ich empfehle allen Entwicklern, sich schon heute Gedanken zu machen, wie das Gebäude künftig gekühlt werden könnte. Wird dies in einer frühen Projektphase mitgedacht, kommt das Gebäude nämlich künftig mit kleinen Kühlleistungen aus und diese können dann mit effizienten Systemen und einem geringen Energieaufwand umgesetzt werden.
  3. Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Geocooling, Free-Cooling und aktiver Kühlung?
    Alle drei Varianten verfolgen dasselbe Ziel: den Abtransport von Wärmeenergie aus einem Raum, sodass dieser im Komfortbereich bleibt. Die Unterschiede liegen darin, wie die dafür benötigte Kühlenergie produziert wird und welche Leistungen abtransportiert werden können. Unter Free-Cooling versteht man eine Kühlung, welche auf natürliche Art geschieht. Die gängigste Form ist das Öffnen von Fenstern in der Nacht, um mit der kühleren Aussenluft den Innenraum zu durchfluten. Für die aktive Kühlung benötigt man eine beträchtliche Menge an Strom zur Produktion der Kälte, meist in Form einer Kältemaschine. Das Geocooling ist eine Mischform, welche sehr wenig Energie benötigt. Hierbei wird über eine Erdsonde oder ein Erdregister Wasser zirkuliert. Das Erdreich kühlt dieses Wasser ab und gibt es über einen Wärmetauscher an die Haustechnik ab. Ein Vorteil des Geocoolings ist, dass damit im Sommer eine Erdsonde regeneriert werden kann, was sich positiv auf die Heizsaison auswirkt.
  4. Ein Element des Hitzeschutzes ist die thermische Masse. Steht das nicht im Widerspruch zur Minimierung der Treibhausgasemissionen (THGE) in der Erstellung? Was ist wichtiger?
    Die Frage ob Komfort respektive die Gesundheit oder der Klimaschutz wichtiger ist, ist aus meiner Sicht falsch. Beides ist sehr wichtig, es braucht darum einen Kompromiss. Die thermische Masse ist wichtig für den Sommerkomfort und somit für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit. Nebst der Masse gibt es aber noch weitere Stellschrauben, welche sich positiv auswirken. Die Massnahme mit der grössten Wirkung auf den Hitzeschutz ist die Optimierung der Glasfläche. Bei der Betrachtung der THGE in der Erstellung ist der Einsatz von schweren Bauteilen kritisch. Aus meiner Sicht ist genügend Masse für ein Gebäude sehr wichtig. Ich sehe die Herausforderung wie wir beides unter einen Hut bekommen, also thermisch aktivierbare Masse, welche die THGE-Bilanz nur wenig belastet. Es gibt bereits heute Lösungen dafür, aber gute Lösungen für die breite Anwendung sind noch selten. Nicht gut ist, wenn man den sommerlichen Hitzeschutz mit ganz viel Technik beheben will. Es braucht beides: eine gute Bausubstanz und dann die richtige Haustechnik dazu.
  5. Geraten nun eigentlich die Fenster unter Druck, leidet das Tageslicht?
    In gewisser Weise kommen die Fenster unter Druck, ja. Aber nicht gänzlich, denn Gebäude mit einem ausgewogenen Fensteranteil, einer guten Ausrichtung und Massnahmen zur Beschattung werden auch in Zukunft gut funktionieren. Vollverglaste Bauten werden es schwierig haben. Für eine gute Tageslichtsituation ist ein sehr grosser Fensteranteil meist gar nicht vorteilhaft. Teilweise sogar negativ. Wenn aufgrund der Fenstergrösse Massnahmen wie zum Beispiel ein sehr kleiner g-Wert ergriffen werden müssen, hat dies teils negative Folgen auf die Beurteilung des Tageslichts. Oder auch, wenn die Fenster zwar gross sind, aber die Storen darum ständig unten sein müssen. Tageslicht hat einen grossen Einfluss auf uns Menschen und ist daher sehr wichtig. Das Finden eines Optimums wird immer schwieriger, der Spielraum für die Architektur und Planung wird immer kleiner. Es ist herausfordernd, aber ich bin überzeugt, dass wir viele gute Lösungen sehen werden.